HALLO? IST DA WER? – AUCH BAKTERIEN „UNTERHALTEN“ SICH!

HALLO? IST DA WER? – AUCH BAKTERIEN „UNTERHALTEN“ SICH!

KOMMUNIKATION – WAS IST DAS, UND WIE FUNKTIONIERT SIE?

Kommunikation ist eine der grundlegendsten Mechanismen der inner- und zwischenartlichen Interaktion. Sie ist so selbstverständlich, dass wir uns selten darüber Gedanken machen, wie sie eigentlich funktioniert.

Viel mehr machen wir Menschen uns darüber Gedanken, was wir auf welche Art kommunizieren.

AKUSTISCHE WEITERGABE VON SIGNALEN

Eine Form der Kommunikation ist die akustische Weitergabe von Signalen, um Informationen zu übertragen. Wichtig ist dabei immer, dass der jeweilige Empfänger auch die passenden Empfangsorgane wie z.B. Ohren haben muss, um die Signale verarbeiten zu können.

Das ein Ohr allein aber nicht ausreicht, sehen wir am Beispiel der Fledermäuse, die in Ultraschallfrequenzen kommunizieren, die für uns meist unhörbar sind.

VISUELLE KOMMUNIKATION

Neben der Akustik spielt auch die visuelle Kommunikation eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur Akustik, die über kilometerweite Strecken funktionieren kann, sind optische Signale immer auf eine Sichtlinie angewiesen und daher störanfälliger. Ein sehr beeindruckendes Beispiel für visuell kommunizierende Organismen, sind die marin lebenden Sepien (echte Tintenfische).

Sie sind nicht nur in der Lage ihre Hautoberfläche und -farbe so zu ändern, dass sie perfekt getarnt sind. Sie sind auch in der Lage Plättchen in den Chromatophoren (spezialisierte Hautzellen) so zu bewegen, dass sie spezifische Muster polarisierten Lichts reflektieren (Shashar et al., 1996; Zylinski et al., 2011).

Forscher gehen davon aus, dass sie über die Kombination dieser verschiedenen Hautänderungen eine Art Sprache besitzen, die aus etwa 54 „Vokabeln“ besteht und so in ihrer spezifischen Abfolge „Sätze“ bilden könnten (Crook et al., 2002).

Abb. 1: Sepien (echte Tintenfische) sind in der Lage sich zu tarnen und ihre Muster und Hautoberfläche zur Kommunikation zu verändern. Fotoquelle: Pixabay.

Allen diesen und anderen Kommunikationsarten ist gemein, dass sie mittels hochkomplexer und spezialisierter Organe zum Senden und Empfangen produziert und verarbeitet werden. Aber was ist, wenn ein Organismus all diese Organe nicht besitzt? Was ist, wenn der Organismus diese Organe gar nicht besitzen kann, da er nur aus einer einzigen Zelle besteht, wie es bei Bakterien der Fall ist?

BAKTERIELLES QUORUM SENSING

Auch wenn sie nur einzellig sind, können Bakterien mit Artgenossen und Bakterien anderer Arten kommunizieren. Diese Form der Kommunikation wird auch als Quorum Sensing bezeichnet (Fuqua et al., 1994) und wurde erstmals 1970 in symbiotischen, biolumineszenten Bakterien beschrieben (Nealson et al., 1970).

Diese Entdeckung änderte grundlegend das Bild der Bakterien von ehemals einzelligen Individualisten, die allein um Nahrung, Platz und Vermehrung kämpfen zu einzelligen Individuen, die auf Gruppendynamiken reagieren und zu komplexen Interaktionen befähigt sind.

Dem Grundprinzip des Quorum Sensing liegen Verhaltens- und Phänotypänderungen zugrunde, die durch die Dichte an Bakterienpopulationen in einem Medium bzw. einer definierten Umgebung beeinflusst werden (de Kievit & Iglewski, 2000; Miller & Bassler, 2001). Die „Vokabeln“ der Bakterien sind spezifische Signalmoleküle, die Autoinduktoren.

AUTOINDUKTOREN

Diese Autoinduktoren werden von den Bakterien selbst gebildet und in den extrazellulären Raum abgegeben. Sie verteilen sich durch passive Diffusion im Medium und sind kaum detektierbar. Je mehr Bakterien jedoch in einer bestimmten räumlichen Nähe zueinander existieren, desto mehr Autoinduktoren befinden sich in dieser Umgebung.

Erreicht die Bakterienanzahl eine bestimmte Dichte (das Quorum), so befinden sich in dieser räumlichen Nähe genügend detektierbare Moleküle, die dann mittels spezifischer Sensoren/Rezeptoren in der Bakterienmembran oder im Zytoplasma erkannt werden und verschiedenste Stoffwechselwege in der Bakterienzelle auslösen (Fuqua et al., 1994; Bassler, 1999; Waters & Bassler, 2005; Ng & Bassler, 2009).

Es ist von der Bakterienart abhängig, bei welcher Populationsdichte Stoffwechselwege moduliert werden (Surette & Bassler, 1998), wodurch sich unterschiedliche ökologische Nischen und Angepasstheiten ergeben.

Dem Quorum Sensing liegen verschiedene Signal- und Sensorsysteme zugrunde, die sich in Art der beteiligten Moleküle und Mechanismen der Signaltransduktion unterscheiden. Dabei kommt es durchaus vor, dass mehrere Systeme parallel in einer Bakterienzelle existieren, die verschiedene Aufgaben erfüllen, sich aber auch gegenseitig beeinflussen können.

QUORUM-SENSING-WEGE IN GRAM-POSITIVEN UND GRAM-NEGATIVEN BAKTERIEN

Grundlegend unterscheidet sich das Quorum Sensing zwischen Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien. In Gram-negativen Bakterien dienen hauptsächlich Homoserinlaktone als Autoinduktoren, die frei durch die Zellmembranen diffundieren und von zytosolischen Rezeptoren detektiert werden.

In Gram-positiven Bakterien sind die Autoinduktoren im Wesentlichen Oligopeptide, die an membranständige Rezeptoren binden.

Durch das Quorum Sensing werden meist Signalkaskaden in den Zellen in Gang gesetzt oder beeinflusst, sodass Stoffwechselprozesse oder Genfunktionen moduliert werden.

Diese Änderungen betreffen unter anderem:

  • Die Sporulation
  • Bildung von Autoinduktoren
  • Bakterielle Kompetenz (Genaufnahmefähigkit)
  • Beweglichkeit, Biolumineszenz (wenn vorhanden)
  • Virulenz (Pathogenität, Wirtsanheftung, etc.)
  • Konjugation (Plasmidaustausch)
  • Bildung von Einzel – oder Multispezies-Biofilmen

(Bassler, 1999; de Kievit & Iglewski, 2000; Miller & Bassler, 2001; Parsek & Greenberg, 2005; Waters & Bassler, 2005; Ng & Bassler, 2009; Lu et al., 2017).

Da sich Umweltbedingungen in natürlichen Umgebungen ständig ändern und die Signalmoleküle diesen Einflüssen ausgesetzt sind (z.B. physikalischer oder chemischer Ab- und Umbau), ist es durchaus möglich, dass diese veränderten Moleküle zusätzlich Informationen über die Umwelt tragen (Redfield, 2002; Decho et al., 2010).

Quorum Sensing ist ein Mechanismus, der mittlerweile bei zahlreichen und vor allem pathogenen Bakterienarten festgestellt wurde.

Zu ihnen gehören:

  • Vibrio cholerae (Cholera),
  • Staphylococcus aureus,
  • Streptococcus pneumoniae (Pneumonien),
  • Salmonella typhimurium (Gastroenteritis),
  • Escherichia coli (EHEC, EPEC),
  • Clostridium difficile (Antibiotika-assoziierter Durchfall),
  • Pseudomonas aeruginosa
  • Burkholderia cepacia (resistente Krankenhauskeime),
  • Agrobacterium tumefaciens (Pflanzentumore),
  • Sowie Enterococcus faecalis und viele weitere

(Surette & Bassler, 1998; de Kievit & Iglewski, 2000; Miller & Bassler, 2001; Hammer & Bassler, 2003; Grandclément et al., 2016; Ball et al., 2017).

Neben den prokaryotischen Bakterien, verfügen auch Eukaryoten wie der Pilz Candida albicans über Quorum Sensing Mechanismen (Albuquerque & Casadevall, 2012).

Abb. 2: Quorum Sensing – schematische Darstellung. Durch die steigende Bakteriendichte während des Populationswachstums erhöht sich das Vorhandensein und die Detektierbarkeit von Autoinduktoren (AIs). Diese lösen über spezifische Signalkaskaden Stoffwechselveränderungen aus und modulieren die Genexpression mittels spezifischer Transkriptionsfaktoren (TFs). Dies führt zu vielfältigen Verhaltens- und Phänotypänderungen. Grafik von: Dr. Florian Bilz (Arktis BioPharma).

DIE BILDUNG VON BIOFILMEN

Gerade die Bildung von Biofilmen stellt ein enorm bedeutendes medizinisches und industrielles Problem dar. Biofilme sind nicht nur einfache Anlagerungen von Bakterienkulturen, sondern komplexe Strukturen aus Polysacchariden, die die Bakterien vor Umwelteinflüssen, aber auch Desinfektion, Antibiotika, Antikörpern oder Phagocytose durch das körpereigene Immunsystem schützen.

Unter dem Mikroskop betrachtet bilden Biofilme dreidimensionale Strukturen wie Stiele, pilzartige Köpfe und Kanäle, in denen Wasser und Nährstoffe fließen, um die Bakteriengemeinschaften zu versorgen (Hammer & Bassler, 2003; Parsek & Greenberg, 2005; Kavanaugh & Horswill, 2016).

In der Natur existiert immer eine gewisse Co-Evolution, denn wo es ein Mechanismus gibt, der Individuen oder Populationen einen Vorteil zum Nachteil anderer bietet, gibt es Gegenmechanismen mit denen sich die „Benachteiligten“ versuchen zu schützen. So existiert auch beim Quorum Sensing der Gegenmechanismus, das Quorum Quenching (de Kievit & Iglewski, 2000; Grandclément et al., 2016).

Dabei können zum einen sowohl die befallenen Wirtsorganismen selbst Moleküle bilden, die entweder die Quorum Sensing Rezeptoren blockieren (z.B. die Rotalge Delisea pulchra) oder Enzyme bilden, die Autoinduktoren abbauen. Zum anderen existieren auch symbiotische Gemeinschaften, in denen der Symbiont diese Moleküle bilden kann (z.B. Pseudomonas aureofaciens, die Getreide gegen Pilzbefall verteidigen).

Die Erforschung des Quorum Sensing, aber auch des Quorum Quenching ist von enormer epidemiologischer Bedeutung, bedenkt man, dass immer häufiger auftretende Problem der Antibiotikaresistenzen. Die Intervention der Quorum Sensing Mechanismen kann einen neuen Angriffspunkt zur Bekämpfung von Infektionen mit resistenten pathogenen Keimen bieten.

Da Quorum Sensing oft die Pathogenität erhöht und so die Bildung von Virulenzen und weiteren pathogenen Faktoren minimiert werden könnten, gibt es dem Körper die Chance gegen die Infektion selbst vorzugehen. Geraten Bakterien unter Stress, wie z.B. durch die Gabe von Antibiotika, kann es sogar zu einer Erhöhung der Konjugation und somit der Übertragung von Resistenzgenen kommen, was genau das Gegenteil der Antibiotikatherapie bewirkt (Lu et al., 2017).

Es bleibt also spannend die weitere Entwicklung und Forschung in diesem Bereich zu beobachten.

QUELLEN

  1. Albuquerque, P. & Casadevall, A. (2012) Quorum sensing in fungi – a review. Med Mycol, 50, 337–345.
  2. Ball, A.S., Chaparian, R.R., & van Kessel, J.C. (2017) Quorum Sensing Gene Regulation by LuxR/HapR Master Regulators in Vibrios. J Bacteriol, 199, e00105-17, e00105-17.
  3. Bassler, B.L. (1999) How bacteria talk to each other: regulation of gene expression by quorum sensing. Current Opinion in Microbiology, 2, 582–587.
  4. Crook, A.C., Baddeley, R., & Osorio, D. (2002) Identifying the structure in cuttlefish visual signals. Phil. Trans. R. Soc. Lond. B, 357, 1617–1624.
  5. de Kievit, T.R. & Iglewski, B.H. (2000) Bacterial Quorum Sensing in Pathogenic Relationships. Infect. Immun., 68, 4839–4849.
  6. Decho, A.W., Norman, R.S., & Visscher, P.T. (2010) Quorum sensing in natural environments: emerging views from microbial mats. Trends in Microbiology, 18, 73–80.
  7. Fuqua, W.C., Winans, S.C., & Greenberg, E.P. (1994) Quorum Sensing in Bacteria: the LuxR-LuxI Family of Cell Density-Responsive Transcriptional Regulatorst. Journal of Bacteriology, 176, 269–275.
  8. Grandclément, C., Tannières, M., Moréra, S., Dessaux, Y., & Faure, D. (2016) Quorum quenching: role in nature and applied developments. FEMS Microbiology Reviews, 40, 86–116.
  9. Hammer, B.K. & Bassler, B.L. (2003) Quorum sensing controls biofilm formation in Vibrio cholerae: Biofilms in V. cholerae. Molecular Microbiology, 50, 101–104.
  10. Kavanaugh, J.S. & Horswill, A.R. (2016) Impact of Environmental Cues on Staphylococcal Quorum Sensing and Biofilm Development. Journal of Biological Chemistry, 291, 12556–12564.
  11. Lu, Y., Zeng, J., Wang, L., Lan, K., E, S., Wang, L., Xiao, Q., Luo, Q., Huang, X., Huang, B., & Chen, C. (2017) Antibiotics Promote Escherichia coli-Pseudomonas aeruginosa Conjugation through Inhibiting Quorum Sensing. Antimicrob Agents Chemother, 61, e01284-17, e01284-17.
  12. Miller, M.B. & Bassler, B.L. (2001) Quorum Sensing in Bacteria. Annu. Rev. Microbiol., 55, 165–199.
  13. Nealson, K.H., Platt, T., & Hastings, J.W. (1970) Cellular Control of the Synthesis and Activity of the Bacterial Luminescent System1. Journal of Bacteriology, 104, 313–322.
  14. Ng, W.-L. & Bassler, B.L. (2009) Bacterial Quorum-Sensing Network Architectures. Annu. Rev. Genet., 43, 197–222.
  15. Parsek, M.R. & Greenberg, E.P. (2005) Sociomicrobiology: the connections between quorum sensing and biofilms. Trends in Microbiology, 13, 27–33.
  16. Redfield, R. (2002) Is quorum sensing a side effect of diffusion sensing? Trends in Microbiology, 10, 365–370.
  17. Shashar, N., Rutledge, P.S., & Cronin, T.W. (1996) Polarization Vision in Cuttlefish – A Concealed Communication Channel? The Journal of Experimental Biology, 199, 2077–2084.
  18. Surette, M.G. & Bassler, B.L. (1998) Quorum sensing in Escherichia coli and Salmonella typhimurium. Proceedings of the National Academy of Sciences, 95, 7046–7050.
  19. Waters, C.M. & Bassler, B.L. (2005) QUORUM SENSING: Cell-to-Cell Communication in Bacteria. Annu. Rev. Cell Dev. Biol., 21, 319–346.
  20. Zylinski, S., How, M.J., Osorio, D., Hanlon, R.T., & Marshall, N.J. (2011) To Be Seen or to Hide: Visual Characteristics of Body Patterns for Camouflage and Communication in the Australian Giant Cuttlefish Sepia apama. The American Naturalist, 177, 681–690.